Born to glide
 

Gefahren am Col Rodella

Author: Markus Haubt, 26.9.2006


Quicklink: Zusammenfassung
Quicklink: Bilder zur Windsituation


Aus gegebenem Anlass und den negativen Erfahrungen der letzten fünf Jahre stelle ich hier eine Fluggebiets- / Startplatzinformation für den Col Rodella zur Verfügung. Ziel ist es, die Piloten über die Probleme und Gefahren der Startplätze an diesem Flugberg aufzuklären. Motivation hierfür ist die Tatsache, daß jedes Jahr im September und Oktober dort Massen an Piloten doch sehr blauäugig in dieses Fluggebiet kommen. Viele sind ganz offensichtlich mit der Einschätzung der Bedingungen vor Ort deutlich überfordert und es kommt regelmäßig zu schweren Unfällen die mit etwas gründlicherer Vorbereitung leicht zu vermeiden wären. Diese Seite soll hierzu eine anschauliche Hilfe bieten.



 

Startplätze am Col Rodella:

Oststart mit Startrichtungen N, O und S (sehr anspruchsvoll, da fast immer im Lee)

Südstart mit Startrichtung S-SW (fast immer im Talwind-Luv, Talwind aber oft sehr stark und mit Thermik durchmischt)


Startplatz Lokomotive direkt am Sellapaß, Startrichtung S (nicht direkt am Col, ebenfalls früh von hinten/Norden her durch den Grödener Talwind verleet)

Beide Rodella-Startplätze liegen ca. 100-200m unterhalb des Gipfels des Col Rodella und sind bequem zu Fuß erreichbar.

 

Windsituation:

Sehr anspruchsvoll, da sich zwei Talwinde am Col Rodella treffen und vermischen:

Graphik

  1. Der Grödener Talwind aus dem Grödener Tal welcher von Norden her über den Sellapaß strömt und von Norden her auf den Col Rodella trifft. Dieser bildet im Bereich südlich der Kante des Oststarts ein Lee im Ostkessel des Col.
  2. Der Fassa-Talwind aus dem Fassatal welcher von Südwesten her auf den Col Rodella trifft und östlich der markanten Kante 100m westl. der Seilbahn und generell hinter dem Gipfel ein großes Lee bildet welches ebenfalls deutlich bis in den Ostkessel des Col hineinreicht.

Beide Talwinde treffen und verwirbeln sich also im Ostkessel (Graphik), in welchen vom Oststart aus üblicherweise direkt hinein gestartet wird. Resultat sind die fast an jedem thermischen Tag dort zu beobachtenden Dustdevils direkt auf der Startkante des Ostkessels.

Zur Windsituation kommt oft noch extrem starke Thermik, welche sich im Ostkessel sowie in dessen SO-Flanken ausbildet und dabei bereits vom Fassatalwind (der schon an der Seilbahn verleet) ordentlich zerissen und in Turbulenz versetzt wird. Die Thermik streicht dann an die Startkanten des Oststarts hoch, wo sie zusätzlich vom nördlichen Grödener Talwind erfaßt und weiter verleet wird. Ergebnis sind oft Windsituationen in denen alle Windspione im Ostkessel permanent wechselnde und uneinheitliche Windrichtungen anzeigen.

Lediglich am Vormittag dominiert oft noch die Thermik während die Talwinde noch weitgehend inaktiv sind. Nur dann kann am Ostkessel sicher gestartet werden. Grundsätzlich sollten alle Windspione eindeutig Südwind anzeigen wenn man vor hat dort zu starten.


Wetterlagen und ihre Einflüsse:

Nordlagen:
Sollten in den Dolomiten generell nur sehr erfahrenen Piloten vorbehalten bleiben. Die Thermik wird wegen des großen Temperaturgradienten sehr stark und der Grödener Talwind durch den Sellapaß unterstützt und verstärkt. Der Col Rodella liegt damit sehr früh und oft komplett im Nordwind-Lee des Passes (Graphik). Starten dann - wenn überhaupt - nur noch am Südstart. Dort herrscht dann allerdings auch oft Leethermik. Unbedingt Vorsicht walten lassen beim Fliegen in die Rinnen westl. und östl. des Cols. Der Col wird oft von hinten komplett umspült. Ruhige Bedingungen finden sich dann wenn überhaupt nur noch im Schutze der Südwand und unterhalb davon auf dem direkten Weg zum Landeplatz.

Südlagen:
Bei Südlagen werden alle aus dem Brennertal kommenden Talwinde unterstützt und verstärkt, genau wie dies bei uns auf der Alpennordseite auch bei Nordlagen der Fall ist (Inntalwind, etc.). Sowohl der Grödener Talwind (wird über das Grödener Tal von hinten/Norden an den Paß umgelenkt) als auch vor allem der Fassatalwind blasen dann spürbar. Vor allem letzterer kann dann sehr stark werden und der gesamte Bereich östlich der Seilbahntrasse wird markant verleet! Oft ist ein "Vorarbeiten" vom Oststart durch das Lee zum Südweststart schon wegen der Windgeschwindigkeit kaum noch möglich. Die Thermik im Ostkessel hat absolut turbulenten Character, am Südweststart und an der Südwand kann hingegen meist gut gesoart werden. Start und Fliegen aber auch dort wegen des starken Windes dann anspruchsvoll. Auch bei Südlagen Vorsicht in den Rinnen westl. und östl. des Cols, der Fassatalwind drückt in diese hienein und erzeugt dort Düseneffekte. Nicht selten wird dann dort in diesen sehr unwegsamen Rinnen außengelandet.




 
 

Zusammenfassung:

Ab ca. 12 Uhr sollten Piloten, die sich nicht als absolut erfahren und mit den örtlichen Bedingungen vertraut betrachten keinesfalls mehr am Oststart des Col Rodella starten. Die Leelage dieses Startplatzes läßt keinerlei Rückschlüsse auf die Windrichtungen und -stärken im Ostkessel und auf der Südseite des Cols zu. Der Flugweg ins Tal in Richtung Landeplatz ist ab der Mittagszeit praktisch immer auf mindestens 500m Länge großflächig verleet und turbulent, man fliegt ob man will oder nicht auch durch mindestens zwei bis drei extrem bockige und tubulente Leebärte bevor man die Kante zum Fassatal am Südhang des Col Rodella erreicht!

Die Windlage am Südweststart ist hingegen meist deutlich eindeutiger und leichter einzuschätzen. Trotzdem sollte auch hier immer geprüft werden, ob unter Umständen Nordwind über und um den Col Rodella strömt, welcher am Südweststart nicht erkannt werden kann da dieser im Windschutz der Südwand liegt. Außerdem ist der Talwind im Südwestkessel unterhalb der Wand oft sehr thermisch durchsetzt und daher nicht immer perfekt laminar.

Der Startplatz Lokomotive direkt am Paß am Westpfeiler der Sellawand bietet zwar oft lange Anströmung von vorne durch die nach oben streichende Thermik. Trotzdem liegt dieser ebenfalls frühzeitig im Nordwindlee des Passes und ist auch wegen seiner Steilheit als sehr anspruchsvoll zu bezeichnen. Auch die Tatsache, daß man direkt in einen oft sehr starken Bart an einer Felswand startet trägt hierzu bei.

 
 




Bilder zur Veranschaulichung:


Blick von Süden auf den Sellapaß

Blick von Norden/oben auf den Col Rodella und dessen Ostkessel

Blick von Osten auf den Col Rodella und ins Fassatal talauswärts


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Letzte Änderung: 14.9.2008